Sanskrit-Text, Transliteration, Übersetzung, Hörprobe und Erklärung
योगेन चित्तस्य पदेन वाचां
मलं शरीरस्य च वैद्यकेन ।
योऽपाकरोत्तं प्रवरं मुनीनां पतञ्जलिं प्राञ्जलिरानतोऽस्मि ॥
अबाहु पुरुषाकारं शङ्खचक्रासि धारिणम् ।
सहस्र शिरसं श्वेतं प्रणमामि पतञ्जलिम् ॥
Yogena cittasya padena vācāṃ
malam śarīrasya ca vaidyakena
yo'pākarottaṃ pravaraṃ munīnāṃ
Patañjaliṃ prāñjalirānato'smi
Abāhu puruṣākāraṃ
śaṅkhacakrāsi dhāriṇam
sahasra śirasaṃ śvetaṃ
praṇamāmi Patañjalim
Ich
verneige mich vor Patañjali, dem größten Gelehrten,
welcher die Makel des Geistes durch den Yoga,
die Makel der Sprache durch die Grammatik
und die Makel des Körpers durch die Heilkunst beseitigte.
Ich grüße und verehre
Patañjali,
dessen Oberkörper menschliche Gestalt hat,
der ein Muschelhorn und
einen Diskus trägt
und tausend weiße Köpfe besitzt.
Iyengar Yoga Klassen beginnen zur Einstimmung auf die Übungspraxis traditioneller Weise mit dem gemeinsamen Chanten der Dankeshymne an Patañjali. Dieser sagenumwobene Gelehrte gilt als der Verfasser des Yoga Sūtras. Dieser Text ist wahrscheinlich zwischen 350 und 450 n. Chr. entstanden und gilt heute als eines der wichtigsten Werke der philosophischen Yoga-Tradition des alten Indiens. Das erklärte Ziel dieser Tradition ist es, den Weg zur Auflösung des existenziellen Leidens aufzuzeigen, welches das menschliche Dasein charakterisiert. Als Hauptursache des Leidens wird die fälschliche Identifikation von Geist (citta) und Selbst (draṣṭuḥ / puruṣa / ātman) angesehen. Während es sich beim menschlichen Geist um einen vergänglichen und vollständig konditionierten Teil des materiellen Körpers handelt, ist das wirkliche Selbst in Wahrheit ein reines, unvergängliches und vollkommen freies Gewahrsein. Selbsterkennstnis verstanden als ein Verweilen in diesem Zustand reinen Gewahrseins ermöglicht nicht nur die Loslösung von weltlichem Leiden, sondern erlaubt es uns auch, rechtschaffen und frei von egoistischen Motiven in der Welt zu leben und zu handeln.
Im Iyengar Yoga praktizieren wir Körperübungen (āsana) und Atemtechniken (prāṇāyāma), um Qualitäten wie Kraft, Beweglichkeit und Gesundheit zu entwickeln und unsere Fähigkeit zur bewussten Entspannung zu kultivieren. Darüber hinaus kann sich unsere Praxis mit zunehmender Erfahrung zu einer tiefgehenden Meditation in Bewegung entwickeln, die das Potenzial besitzt, den verkörperten Geist klar und ruhig werden zu lassen. In diesem Sinne stellen wir uns als Übende durch das gemeinsame Chanten der Anrufung an Patañjali sprachlich und konzeptuell in die klassische Yoga-Tradition Indiens. Außerdem können wir lernen, Demut und Ergebenheit zu entwickeln, um die Yogapraxis mit einem Gefühl der inneren Weihung und Hingabe zu beginnen.
Yoga ist das Anhalten der geistigen Vorgänge.
Ist dies erreicht, ruht das Bewusstsein in seiner eigenen Natur.
Ansonsten kommt es zu einer Identifikation mit diesen Vorgängen.
- Patañjala Yoga Sūtras
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